Mit Hygge, Ikigai, Sisu oder auch Marie Kondos beharrlichem Minimalismus-Trend wurden in den vergangenen Jahren mit Vorliebe aus Skandinavien wie Japan Lebenseinstellungen in andere Kulturräume importiert. Neu dabei: Zusammenglück und Friluftsliv.
Skandinavien und auch Japan haben für uns häufig Vorbild-Charakter. Die Menschen sind zufriedener, die Lebenserwartung liegt höher. Im aktuellen Covid-19-geprägten Alltag kommen zwei weitere Begriffe mit Bestseller-Qualität hinzu: Das in Norwegen fest etablierte “Friluftsliv” (Aktivitäten und Erholung im Freien) und das in Japan festgestellte Prinzip eines Zusammenglücks (interdependent happiness).

Ein Megatrend im Wandel: Selbstwirsamkeit statt Selbstverwirklichung
Zusammenglück erleben laut der Forscherin Yukiko Uchida (Interview in Psychologie heute, 10/2020, S. 31ff.) Menschen in Japan durch Selbstwirsamkeit statt Selbstverwirklichung. Wenn sie feststellen, dass es dem Umfeld gut geht, sie sich gewertschätzt fühlen, sie merken, dass ihr Verhalten Einfluss auf die Zufriedenheit des Gegenübers hat.
Das ist wichtig, da sich beobachten lässt, dass sich der global wirksame Megatrend der Individualisierung mehr in diese Richtung bewegt. Das Augenmerk bewegt sich von der Selbstperformance weg hin zur Wechselwirkung. Wir statt Ich greift hier allerdings zu kurz. Es geht eben um eine Interdependenz, eine Gegenseitigkeit auf Augenhöhe zwischen dem Individuum und dem Umfeld und nicht um ein kollektives Verschwimmen von Grenzen. Resonanz statt Echoraum.
Friluftsliv bietet Resonanzräume auf allen Beziehungsachsen
Und das trifft auch auf das Konzept des Friluftsliv zu. Hierbei können sämtliche von Hartmut Rosa definierten Beziehungsachsen seiner Resonanz-Soziologie angesprochen werden. Friluftsliv findet oftmals in kleinen Gruppen statt, Natur hat dabei als Raum und in ihrer Lebendigkeit (von Fels bis Fjord) eine zentrale Stellung und gleichzeitig geht es immer auch um ein Narrativ – denn Friluftsliv ist fest verankerte Kultur und sogar Teil der Politik. Das Konzept ist vermutlich das erste, das ein*e Nicht-Norweger*in im Land vermittelt bekommt. Inklusive der richtigen Bekleidungstechnik: “Det finnes ikke dårlig vær, bare dårlig klær” (es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung). Friluftsliv impliziert neben Bewegung und Erholung aber auch aktuelle Themen wie: Umwelt, Klima, Energie, Gesundheit, Ehrenamt. Es kann verbinden (und Zusammenglück schaffen =))
Zusammenglück & Friluftsliv: für die Freizeit- und Erholungsbranchen wertvolle Konzepte
Es sind zwei Lebenshaltungen, die nicht nur im Zuge der Corona-Pandemie beschleunigt in unserem Kulturraum Wirkung zeigen und sich entfalten. Doch die Covid-19-Situation trägt beschleunigend dazu bei, dass sich zum einen der Megatrend der Individualisierung schneller weiterentwickelt und sich zum anderen die Bedürfnisse an Erholungsräume (und -zeiten) verändern.
Für die Freizeit- und Erholungsbranchen sind das zwei wertvolle Konzepte, wie sie Resonanz vermitteln und anbieten können. Mit der Haltung des “Zusammenglücks” und dem Prinzip “Friluftsliv” lassen sich Geschichten erzählen, Angebote machen und Räume schaffen – sowohl im Sport wie auch im Tourismus. Wer als Verband, Organisation, Marke jetzt sich diesen zwei Prinzipien entlehnt, wird in den kommenden Covid-19-Monaten definitiv auf Resonanz stoßen.