Der Begriff Authentizität im Tourismus ist zunehmend überstrapaziert und steht in einem Spannungsfeld zwischen Erwartungen und Wirklichkeit. Wenn Tourist:innen authentische Erlebnisse wünschen, sprechen sie in der Regel von Begegnungen, Resonanzerfahrungen und dem Erleben von lokalen Besonderheiten. Ob es der eigene ökologische Fußabdruck, soziale Probleme durch den Tourismus, extreme Wetterereignisse, Armut, Drogen, Obdachlosigkeit in Städten, Korruption oder Ungerechtigkeit ist – solche Themen werden bei authentischen Reiseerlebnissen selten beworben oder erwartet.

Eine tatsächliche Konfrontation mit allen Ecken und Kanten der besuchten Destinationen sind nur selten wirklich gewünscht. Authentizität, im Sinne einer unverfälschten Realität, widerspricht oftmals den Erwartungen der Reisenden an Urlaub, Komfort und sorgenfreie Erlebnisse. Tourismusakteure inszenieren seit jeher Reiseerlebnisse, welche die Illusion von Authentizität aufrechterhalten – Authentizität im kontrollierten Modus. Dies führt zu einer Pseudo-Authentizität, in der nur ausgewählte, oft idealisierte Aspekte einer Destination präsentiert werden.

Mit dem Aufkommen von KI-generierten Inhalten und zunehmender Verbreitung von Fake News gewinnt der Begriff der Post-Authentizität an Bedeutung: Die Grenzen zwischen Realität und Inszenierung verschwimmen, was eine neue Dimension der touristischen Erfahrung öffnen kann.

Die Zukunft des Tourismus könnte in der bewussten Akzeptanz dieser Inszenierungen liegen. Konzepte wie „Open Fake“, in denen die Fiktionalität von touristischen Angeboten offen kommuniziert wird, könnten den Diskurs verändern. Denn der Bedarf an Transparenz steigt. Reisende und Anbieter müssen sich den Konsequenzen ihrer Entscheidungen – sei es in Bezug auf Nachhaltigkeit oder soziale und ökologische Auswirkungen – bewusster stellen. Dabei geht es nicht mehr darum, Authentizität um jeden Preis zu verkaufen, sondern ehrliche, wenn auch inszenierte Erlebnisse anzubieten.

Für die Tourismusbranche stellt sich die Frage, wie mit diesen Entwicklungen umgegangen werden kann. Es könnte notwendig sein, von der Pseudo-Authentizität hin zu einer Post-Authentizität zu wechseln, zu einer offenen, transparenten Kommunikation über die Bedingungen und Inszenierungen touristischer Produkte. Dies könnte nicht nur Vertrauen und Glaubwürdigkeit stärken, sondern auch nachhaltige und zukunftsfähige Tourismuskonzepte fördern, die sich an der Schnittstelle zwischen lokalem Charme, touristischer Inszenierung und neuem Surrealismus befinden.

Mehr zum Thema Post-Authentizität gibt es im Podcast Next Stop Future hier zum Hören.

Zum Thema Neuer Surrealismus finde ich diesen Artikel von Denise Bucher in der NZZ sehr spannend: Dank künstlicher Intelligenz: Der Surrealismus feiert seine Wiederauferstehung

Surrealismus im Freizeitbereich setzen Meow Wolf fantastisch (sowohl als auch in der Bedeutung) um. Das Künstler:innenkollektiv hebt mit seinen Inszenierungen alle Grenzen auf, zwischen Künstler:innen und Publikum, zwischen Kunst, Event, Happening und psychodelisch wirkenden Welten.