Ein veganes Croissant als Kompass für den Wandel
Im Rahmen der Weltklimakonferenz COP26 (die ja schon fast in der Öffentlichkeit wieder in Vergessenheit geraten ist) gab es eine kleine Croissant-Affaire, die ein paar spannende Hinweise für die Zukunft von Verbrauchsentscheidungen und vor allem die Rolle von “Plant-Based” gibt.
Die Story im Kurzen: Die COP26- Teilnehmende wurden über den ökologischen Fußabdruck der vor Ort erhältlichen Verpflegung informiert. Beim regionalen, veganen Croissant gab es einen Fehler, der dazu führte, dass das “Bacon-Roll” versehentlich als klimafreundlicher ausgewiesen war als das rein pflanzliche Croissant. Zur kurzen Freude der Tierindustrie, mit etwas Tragik für die französische Umweltministerin und mit der guten Chance zum Kennelernen des Unternehmens und der Methodik, das/die hinter der CO2-Ausweisung der Gerichte steht.
(Hier in 9 Minuten zum Nachhören. Vorsicht Spoiler: Pflanzliches Croissant gewinnt gegenüber Croissant mit Butter und dem Bacon-Roll)
So weit, so gut. Doch was heißt das für die Zukunft des Subtrends Plant Based?
Wer “Plant-Based” hört, denkt vermutlich primär an Erbsenprotein im Neo-Schnitzel, fermentierte Cashews als Camembert oder No-Milk statt Kuhmilch. Der Markt an “Ersatzprodukten” auf pflanzlicher Basis ist aber so extrem viel größer als “Food”. Wer die Zukunftskraft von “Vegan” oder “Plant-Based” (in ihrer Unterschiedlichkeit und dem Zusammenspiel) verstehen und nutzen möchte, sollte die dahinterliegenden Trends und Entwicklungen kennen.
4 Aspekte für die Zukunft von Plant-Based
1. Weder Plant-Based noch Vegan sind Ernährungslifestyles
Bis dato liegt speziell der mediale Fokus vor allem auf dem Food-Phänomen von “Plant-Based” und “Vegan”. Doch, ähnlich wie einst beim Bio-Markt, folgt auf Food jetzt Fashion. Die vegane Bekleidungsindustrie erhält derzeit viel Aufmerksamkeit. Und der Subtrend arbeitet sich damit nach und nach in alle anderen Lebens- und Konsumbereiche vor. Doch anders als bei der Bio Branche haben “Plant Based” und “Vegan” viel fundamentalere Wirkkräfte, die sich aus ihrer Massentauglichkeit ergeben. Oder anders gesagt: Die Märkte, die massentauglich bleiben möchten, kommen um die Entwicklung Plant-Based und Vegan nicht herum. Sie sind ganz im Gegenteil ihre Zukunft.
2. Neo-Ökologie als disruptiver Treiber
Das Cop26-Croissant zeigt: Als Treiber wirkt vor allem der Megatrend der Neo-Ökologie, der Konsum, Wirtschaften und Produzieren aktuell stark verändert. Eine globale Protestkultur sorgt dabei für ein neues Mindset in der gesamten Gesellschaft. Andere Ideen über Wirtschaften (Post-Wachstum, Circular Economy, Cradle to Cradle, Sinn-Ökonomien) verändern zusätzlich unsere Konsumkultur. “Smarter statt weniger” wird durch neue Ansätze, Materialien, Produktionsweisen und Verwendung möglich. Und nicht zuletzt sind es die überall spürbaren Auswirkungen des Klimawandels, welche die Weichen für die Art zu produzieren und konsumieren umstellen.
Plant-Based und Vegan sind hier nicht ideologisch aufgeheizte Weltrettungsideen, sondern pragmatische Antworten auf viele die Klimakrise antreibende Konsumgewohnheiten.
Wichtig dabei bleibt die Differenzierung: Vegan muss nicht Plant-Based sein (Stichwort Synthetikpullover aus Erdöl oder auch der Mantel aus recycelten Plastikflaschen). Plant-Based als Ernährungsform bedeutet nicht, dass diese Person vegan lebt (Stichwort Lederschuhe und Wollpullover). Und: Gesund oder ethisch korrekt muss beides nicht sein: Vegane Bekleidung von Fast Fashion-Ketten oder High Processed Plant-Based Produkte vom Geflügelwurst-Konzern stehen dazu diametral.
- Vegan ist im Kontext Klimawandel ein ausschlaggebender Veränderungstreiber.
- Plant-based erhält beim Thema postcarbone Gesellschaft seine disruptive Kraft.
Die Landwirtschaft, insbesondere Tierhaltung, hat einen erheblichen Anteil an dem Ausstoß von schädlichen Emissionen. Und das nicht nur lokal, sondern weltweit. Neben den Auswirkungen der Tierhaltung oder Gülldüngung sind es auch Aspekte wie die Abholzung von Regenwäldern für Futtermittelanbau, die negative Folgen für Umwelt und Klima besitzen. Die Menge an Land, die für die Produktion von einem Kilogramm essbaren Protein aus Tierprodukten benötigt wird liegt exorbitant höher im Vergleich zu der Fläche Land, die ein Kilogramm Pflanzenprotein erzeugt. Laut Untersuchungen beträgt der Verlust bis zu 96 % bei Rindfleisch. Es wird also nicht nur mehr klimaschädliches Gas direkt erzeugt, sondern es ist auch mehr an Fläche und “Produkten” notwendig, um das selbe Resultat zu erzeugen. Aber auch die Produkte der Leder– oder Wollindustrie haben im Vergleich zu Produkten aus synthetischer Erzeugung einen wesentlich höheren CO2-Fußabdruck in der Herstellung. Während im Kontext Vegan der Kunstlederschuh und die Fleecejacke aus Erdöl Alternativen sein können, setzt Plant-Based hier anders an: es wird gefaked.
3. Fake is Future: das bessere Original bestimmt das Post-Anthropozän
Fake ist definitiv ein Kulturphänomen unserer Zeit, meist mit Negativimage versehen. Doch das neue Fake-Business etabliert gezielte “Fälschungen” von Originalen, welche die Mitwelt ein Stück besser werden lassen. Mittlerweile wird für fast alles ein Ersatz angeboten oder entwickelt, das Leder, Kuhmilch, Rindfleisch, Wolle, Plastik obsolet macht.
Zum Einsatz kommen Pilze, Pflanzenfasern, Zellkulturen, CO2, Algen. Häufig sind es junge Start-Ups oder Spin-Offs von Universitäten, die mit Hilfe von Biotechnologien tierische Produkte, Synthetik und Plastik aus fossilen Rohstoffen möglichst originalgetreu zu ersetzen versuchen.
Löste einst ein Ersatzprodukt einen Skandal aus, galt als minderwertig, ist es heute Avantgarde und teurer. Doch mittelfrisitg wird die Herstellung perfektioniert, für den Massenmarkt tauglich und damit günstiger. Spätestens dann, wenn Tierhaltung sich nicht mehr rentiert (sowohl aus ökologischen wie auch ökonomischen Gründen), wird Vegan und Plant-Based vom Fake zu dem besseren Original avancieren. Ob dieses dann Clean Meat oder ein Beyond-Impossible Burger sein wird, entscheiden Zeit, Forschung und Innovationsfreudigkeit. Der Markt ist jedenfalls da.
Das Potenzial erhält die Entwicklung durch die vielen Aspekte, die sie transfomieren. Erstens ist es die differenzierte Sicht auf die Mitwelt. Zweitens implizieren die zum Einsatz kommenden neuen Rohstoffe einen neuen Blick auf Konsum und Müll. Drittens geht es um ein fundamental neues Verständnis für den Umgang mit Ressourcen und Emissionen. Und viertens bekommt sie durch die globale Präsenz ihre enorme Dynamik.
4. Plant-Based und Vegan: Gamechanger mit fundamentalen Konsequenzen für alle Branchen!
Plant-Based und Vegan verändern nicht nur alle direkt betroffenen Produkte, die tierischen oder nicht-pflanzlichen Ursprungs sind. Die Phänomene verändern die dahinter liegenden Märkte, die Zulieferer und das Wirtschaften in sich selbst. Es sind Agrar- oder Stromwirtschaft genauso betroffen wie Consulting und Investment und die Automobil- oder Kunststoffindustrie. Die Entwicklung verändert radikal unser Grundverständnis von Ressourcen. Aus der Rarität wird Normalität.
Die Transformation ist kein Sprint, sondern ein Marathon: Unser Alltag ist durchzogen mit Produkten, die entweder auf erdölbasierten Rohstoffen (no-plant-based) oder tierischen Ursprungs sind (nicht-vegan). Von Mobilität bis Medizin, im Zuliefererbereich wie Endkonsumentensektor werden noch viele Lösungen benötigt.
Aprospos Medizin: Was ist mit dem Megatrend Gesundheit als Motiv und Treiber? Als Konsumaspekt hat er eine gewisse Relevanz, die je nach Forschung und Evidenz größer werden kann, die aber definitiv nicht zwingend mit Plant-Based und Vegan verknüpft sein muss. Verlässt man die Perspektive der gesunden individuellen Lebensweise und betrachtet den globalen Gesundheitsaspekt, wird es spannender. Gepusht durch die Pandemie ist das Thema in jedem Fall stark in den Fokus gerückt, welche gesundheitlichen Auswirkungen z.B. Massentierhaltungen haben kann.