Folgende Nachrichten der letzten 24 Stunden sollten ein Wecker sein:
- Fast 80 Prozent weniger Fluggäste registrierte der Flughafenbetreiber Fraport zwischen dem 20. bis 26. Juli 2020 im Vergleich zur entsprechenden Kalenderwoche 2019.
- Und während in Frankfurt der Terminal 3 irgendwann ab 2023 ff. eröffnet werden soll, um weitere 21 Millionen Fluggäste abfertigen zu können, meldete die französische Regierung heute, dass man den Bau eines 4. Terminal am Airport Paris CDG doch nochmals überdenken würde.
- BMW verkündete gestern, dass bis 2030 die CO2-Emissionen pro Fahrzeug “deutlich um mindestens ein Drittel gesenkt werden” sollen.
- Die UN hat in ihrem aktuellen Dossier „COVID-19 in an Urban World“ aufgezeigt, warum Städte künftig, resilienter, inklusiver und vor allem nachhaltiger werden müssen. Und auch hier nochmals die Verbindung zwischen Lebensqualität und Mobilitätswende gezogen: „The reduction in motorised transport in many cities has led to lower pollution and greater use of non-motorised transport modes such as walking and cycling“ (S. 22).
- Nicht erst in den letzten 24 Stunden beschlossen: Kreuzfahrtschiffe (oder auch Fähren), die ab 2026 norwegische Fjorde mit Welterbe-Status befahren wollen, müssen nach derzeitigem Stand, emissionsfrei sein. Auch andere Häfen hatten über ein Verbot nachgedacht. In Island dürfen keine Touristenschiffe mehr mit ungefilterten Schweröl einlaufen. Insgesamt sind die arktischen Staaten dabei, künftig ein generelles Verbot von Schweröl-Schiffen umzusetzen.
Zusammengefasst
Vor allem Städte der Zukunft werden nachhaltiger geplant, neue Anforderungen an Mobilitätsdienstleister (ganz gleich ob Hersteller oder Infrastruktur-Betreiber und -Planer) dabei gestellt. Die alten Leitindustrien haben viel zu langsam reagiert, obwohl die Diskussion und die Entwicklungen bereits seit Jahren bekannt sind. Es mutet an, als hätten sie im Sinne der drei Affen, die sich Augen, Ohren und Mund zuhalten, obwohl sie sehen, hören und sprechen können, agiert. Selbst wenn Innovationen und Technik noch nicht ausgefeilt sind, wären mit anderen Maßnahmen Möglichkeitsräume zu füllen gewesen. Weniger SUV mehr Sustainability. Weniger Diesel mehr Dienstleistung. Weniger Feinstaub mehr Feintuning. Oder so.
Aber nicht nur Städte sind von der Mobilitätswende betroffen, wie die Maßnahmen in Fjorden oder geplanten Maßnahmen in Gewässerabschnitten zeigen. Destinationen werden sich mehr und mehr schützen, um “enkeltauglich” zu bleiben. Denn die mittel- und langfristigen Folgen für eine gesunde Gesellschaft werden steigen, je später die Politik jetzt reagiert.
Was bedeutet das als Konsequenz und Chance für den Flugverkehr?
Während also Automotive und auch die Kreuzfahrtindustrie bereits Grenzen aufgezeigt bekommen – und erst jetzt so langsam ins Handeln gezwungen werden, wäre es genau jetzt Zeit für die Luftfahrtbranche sich aktiv und progressiv mit ähnlichen Konsequenzen für ihren Sektor auseinanderzusetzen. Statt davon auszugehen, dass sich die Branche in einigen Jahren wieder “erholt” haben wird, alles “beim alten” sein wird (als Mantra für Aktionäre), werden in einigen Jahren ganz andere Lösungen gefordert sein. Fahrverbotszonen für gewisse Autos sind längst Realität.
Mobilität ist und bleibt ein Megatrend
Die Welt braucht eine Vernetzung über die digitalen Wege hinaus. Doch diese wird sich radikal umgestalten. Keine Klimakompensation, auch nicht nur emissionsfrei, sondern mit positivem Mehrwert. Wie es zum Beispiel die Circular Carbon Economy ermöglichen könnte. Gleichzeitig muss sich die Branche auf andere Reisende einstellen. Weniger Fast Tourism, mehr bewusster Umgang. Weniger Geschäftsreisen, mehr Resonanz-Tourismus. Hinzu kommt eine nachwachsende Generation Reisender, die eine hohe Sensibiltät für den komplexen Ansatz der Klimafrage mitbringt. Zudem laut aktueller Sinus-Studie wenig hedonistisch denkt. Die Branche hat neben den Emissionen auch sonst noch viele Aufgaben, speziell wenn es um die Kombination aus Sicherheit, Hygiene und Kreislaufwirtschaft geht.
Die Ansprüche sind komplex, es wird auch bereits an Lösungen gearbeitet, doch die Umsetzung ist halbherzig. Der Tourismus und die Mobilitätsbranche als Leitindustrien müssen genau jetzt die Zeit des Krise und des “Stillstandes” nutzen, um einen Strukturwandel einzuleiten, wenn sie auch in einer Post-Corona-Welt erfolgreich sein möchte.